Hallo zusammen, ich dachte ja mein Beitrag wäre mit dem Platzen des
Pforgs im Nirvana verschwunden, aber ich hab ihn neulich in einem
Parallel-Universum wiedergefunden und war diesmal schlauer und hab ihn
gleich abgespeichert
Also die unterschiedlichen Kammerweiten kommen zustande, weil die
Hersteller von Sätteln unterschiedlich langschenklige Kopfeisen
verwenden.
Stübben beispielsweise verwendet recht lange Kopfeisen, daher ist eine
30er Stübbenkammer relativ normal-schmal während eine 30er
Passier-Kammer schon ziemlich weit ist, was daran liegt dass eben die
von Passier verwendeten Kopfeisen relativ kurz sind.
Gemessen wird immer von Ortspitze zu Ortspitze.
Als Faustregel kann man sich merken, dass bei Sätteln die kurze
Kopfeisen haben eine größer Toleranz in der Passgenauigkeit herrscht.
Je kürzer die Kopfeisenenden desto mehr unterschiedlichen Pferden kann
der Sattel theoretisch aufgelegt werden.
Englische und italienische Hersteller verwenden kürzere Kopfeisen.
Stübben hat mit die längsten Kopfeisen.
Ich habe euch mal einen Sattel von vorne ohne Kissen - also Polster - fotografiert, damit man sehen kann was ich meine:
So betrachtet ist also nicht unbedingt der Abstand zwischen den
Ortenden interessant, sonder der Winkel den das jeweilige Kopfeisen
bildet.
Dazu muss man sich, wenn man das im Laden ausmessen will das Kissen
quasi wegdenken, denn ein Polster kann diesen Winkel erheblich
verfälschen und gleicht einen nicht passenden Winkel KEINESFALLS aus!
Hier mal der Torso eines Pferdes im Durchschnitt und was man sich
vorstellen muss wenn das Kopfeisen draufliegt; das grüne "Eisen" liegt
optimal:
Am Pferd könnt ihr diesen Winkel mit einem Draht nachformen.
Dazu fühlt ihr mit der Hand wo die Schulterblattspitze in Richtung
Rücken zu ende ist und biegt zwei-drei Fingerbreit hinter dieser Stelle
einen Draht über den Widerrist bzw. dort wo der Widerrist in den Rücken
übergeht rüber. Wenn euer Draht dann fertig gebogen ist, und auf dem
Widerrist liegt, sollte er so liegen dass seine unteren Spitzen ganz
leicht (nur wenige Grad von der senkrechten Linie abweichend) zum
Vorderbein hinzeigen.
Unser Modder-Paint
hat heute Modell gestanden, ich hab den Schulterknochen mal ungefähr
markiert: (Impulso, genannt Lazi - eigentlich ein schimmersilberweisser
Lusitanohengst - wie gesagt EIGENTLICH :roll:
)
Die Sitzgrösse wird bei englischen Sätteln vom vorderen Sattelnagel bis mitte des Efters (Hinterzwiesels) in Zoll gemessen.
Habt ihr kein Zollmassband, macht nichts: teilt einfach die cm durch 2,54 und ihr habt das Mass in Zoll.
Der Sattel sollte keinesfalls auf der Schulterblattspitze zu liegen
kommen! Ihr könnt das Schulterblatt fühlen! (siehe grüne Markierung auf
dem Modder-Paint :mrgreen: )Dahinter soll der Sattel liegen.
Bei manchen Pferden kann das anatomisch zum Problem werden. Dann wendet euch auf jeden Fall an einen guten Sattler!!
Der tiefste Punkt eines Sattels sollte etwa über dem 13/14 Rückenwirbel liegen, auf keinen Fall weiter hinten!
Das Kissen eines Sattels sollte gleichmässig und weich gepolstert sein, so dass man es mit dem Daumen ein wenig eindrücken kann.
Es sollten keine Knubbel zu fühlen sein, wenn man darüberfasst.
Wenn ein Sattler ein Kissen aufpolstert sollte er darauf achten den
Sattel mit dem Material zu polstern welches schon drin ist.
Unterschiedliche Materialien "verknoten" sich miteinander und können
die Ursache für starke Knubbelbildung sein.
Wenn der Sattel (ohne Decke) auf dem Pferd liegt, sollte man von hinten
nach vorn an der Wirbelsäule hindurchschauen können , wenn man hinter
dem Pferd steht. Auf KEINEN Fall darf der Sattel an irgenteiner Stelle
mit der Wirbelsäule Kontakt haben!!!!
Die Wirbelsäule sollte ausreichend Platz haben. Manche Pferde haben breite und manche schmale Wirbel.
Grundsätzlich sind sehr schmale Kammerkanäle abzulehnen, weil sie die Wirbel seitlich quetschen/drücken können.
Aber auch extrem breite Kammerkanäle sind nicht von Vorteil, weil sie die Tragfähigen Muskelpartien nicht vollständig "nutzen"
Die Kissen sollten breit sein um das Gewicht optimal zu verteilen.
Wenn man von hinten durch den Kammerkanal schaut sollen die Kissen
rechts und links neben der Wirbelsäule gleichmässig Kontakt zum
Pferderücken haben. Hier kann man auch recht gut sehen ob ein Sattel
eine Brücke bildet. Dann nämlich sind die Kissen in der Mitte des
Sattels weiter von der Wirbelsäule entfernt als hinten und vorn.
Übrigens: Ein langer Sattel ist nicht gleich ein guter Sattel!
Je länger ein Sattel ist, desto mehr kann er die Eigenbewegung der
Wirbelsäule im Lendenbereich, die beim Laufen des Pferdes entsteht -
und von uns allen ja auch als Schwingen und Aufwölben erwünscht ist -
blockieren.
Einem kurzen Sattel mit breiten Kissen ist gegenüber einem langen mit schmaleren Kissen der Vorzug zu geben.
Um noch ein weiteres Märchen zu beseitigen:
Man versammelt ein Pferd nicht, indem man mittels eines längeren Sattels weiter hinten sitzt
Wenn ihr einen gebrauchten Sattel kauft:
Es ist ratsam bei einem gebrauchten Sattel die Polsterung
auszutauschen. Dann nämlich kann sich die neue Polsterung quasi wie ein
neuer Schuh dem neuen Pferd anpassen. Ein altes Polster hat sich einem
anderen Pferd angepasst und wird sich schwertun sich zu verändern.
- Schaut nach, ob alle Nähte in Ordnung sind; Oberseite, unter den Sattelblättern und von unten.
- Checkt die Strupfen. Haben sie lange oder schräg verlaufende Löcher
oder sind gar die Nähte kaputt mit denen sie festgenäht sind, lasst sie
austauschen, meist ist es günstiger wenn man dies mit der neuen
Polsterung in einem Abwasch machen lässt. Wenn man die Strupfen später
extra erneuern lässt, kommen meist noch die Kosten für das Öffnen und
Schliessen des Sattels hinzu. Wird der Sattel gepolstert ist das im
Preis für die Polsterung in der Regel enthalten und wird für das
Auswechseln von Strupfen nicht extra berechnet.
- Checkt, ob die Sturzfedern (Steigriemenaufhängung) richtig fest sind!
Hab da schon dolle Sachen erlebt.
- Checkt ob der Sattelbaum okay ist.
Bei billigen Importsätteln brechen gerne die Kopfeisen; das könnt ihr
feststellen indem ihr den vorderen Teil des Sattels zwischen eure Kniee
klemmt und feste die Kniee zudrückt. Gibt er nach ist das Kopfeisen
kaputt.
Ist der Baum im Sitzflächenbereich gebrochen könnt ihr das checken
indem ihr euch den Hinterzwiesel an die Hüfte klemmt und mit der Hand
versucht den Sattel zu "biegen". Wenn er sich dabei verdreht oder
knicken lässt, ist vorsicht geboten.
Befragt aber in einem solchen Fall lieber einen Fachmann.
Es lohnt sich in jedem Fall einen gebrauchten Markensattel zu kaufen,
wenn sichergestellt ist, dass er dem Pferd passt/angepasst werden kann.
Sollte sich das Pferd stark verändern kann man gute Gebrauchte in der
Regel für fast den gleichen Preis wieder verkaufen, den man auch
bezahlt hat.
Solange ein Pferd noch wächst/im Aufbautraining ist auf jeden Fall eine gute Lösung!
Und: ein guter Sattler wird sich den Sattel auf dem Pferd anschauen,
bevor er ihn neu polstert! Oder es kommt ein vom Sattler instruierter
Mitarbeiter der Firma, der dem Sattler präzise Angaben machen kann.
Unterlagen:
Grundsätzlich gilt: Eine Unterlage soll immer nur den Zwecke haben, den Sattel vor Verschmutzung zu schützen!
Ausnahme bilden Sättel, die keine Polsterung haben, wie beispielsweise Westernsättel.
Für sehr empfindliche Pferde empfiehlt sich ein echtes Lamm- oder
Rehfell als Satteldecke. Das garantiert einen regulierten Wärmehaushalt
und Lammfell wirkt gerade bei jungen Pferden leicht stossabsorbierend.
KEINE synthetischen Felle verwenden! Unter ihnen entsteht starke
Stauwärme, die zu extremer Schweissbildung führen kann, ohne dass der
Schweiss vernünftig verdunsten kann.
Jeder der mal einen Fleecepulli auf nackter Haut anhatte und damit so
gearbeitet hat, dass er ins Schwitzen gekommen ist, weiss was ich meine.
Unterlagen, welche angeblich die Passform eines Sattels verbessern sind Unsinn!
Es mag einige sehr wenige Übergangslösungen dieser Art geben, die aber
bitte auch nur nach Absprache mit einem Fachmann - und das ist bitte in
diesem Fall der Sattler, NICHT der Tierarzt!!! - angewendet werden.
***************************
Natürlich gibt es wie bei allen anderen Dingen auch wieder Sonderfälle, für welche wieder leicht abweichende Kriterien gelten.
Alles was hier steht, betrifft in erster Linie alle Englisch-Sättel und
auch die Iberischen Sättel, ist aber in Teilen für alle Sättel die auf
dem Markt erhältlich sind gültig.
Die einzige Ausnahme bilden baumlose Sättel, da diese keine oder nur eine bedingte Wirbelsäulenfreiheit haben.
Ein sehr gutes Buch mit noch mehr Informationen hat Cornelia Koller geschrieben: Das Sattelbuch
Auch sehr empfehlenswert ein englisches Buch welches sich auch für
Nichtkönner der englischen Sprache durch die reichlichen Bilder selbst
erklärt ist: Pain-Free Back and Saddle-Fit Book von Joyce Harmann
Viel Spass beim Lesen!
So liebe Leute, war mal wieder ein Roman, aber ich hoffe einige Unklarheiten beseitigt zu haben :mrgreen: